
Ein Dutzend Gästeführer in der Vorweihnachtsfeier zusammen auf eine Bühne zu bringen, ist ein organisatorisches Meisterstück. Das funktioniert nur, wenn der Termin schon ein Jahr vorher im Kalender steht. Unser „Talk der Jahrhunderte“ am 13. Dezember vor dem Kamin im Renaissancesaal des Schlossbergmuseums war als Finale unseres Projektes „875 Jahre Marktrecht in Chemnitz – Chemnitz feiert. Wir feiern mit!“ – ein Beitrag des Verein der Gästeführer e.V. zum Stadtjubiläum. In 90 Minuten führten wir in historischen Kostümen die Gäste in „Ich-Form“ durch die Jahrhunderte von der Gründung des Benediktinerklosters St. Marien bis zur Stadt der Moderne. Mitwirkende waren ein Mönch (Thomas Mehnert), die Marktfrau Karoline (Karin Meisel), Anna Agricola (Veronika Leonhardt), eine Schankmagd (Edeltraud Höfer), das Ehepaar Richard und Berta Hartmann (Eberhard Fiebig und Ramona Wagner), der Arbeiter Max Walter (Marcel Wächtler), die Künstlerin Marianne Brandt (Martina Wutzler) und die Wissenschaftlerin Frau Dr. Kristina Faber. Karl Marx (Wulf Lakemeier) war unser Überraschungsgast. Der Historiker Christian Lieberwirth moderierte die Veranstaltung und Ines Venus-Rothermundt hielt sie im Bild fest. Ob die Veranstaltung gelungen war, können nur die Zuschauer beurteilen, uns hat es auf jeden Fall Spaß gemacht und wir haben für unser „Laienspiel“ viel Applaus erhalten. Das war die letzte Veranstaltung in diesem Jahr und daher Anlass Résumé zu ziehen. Im Rahmen der Jubiläumsfeierlichkeiten hat der Verein im zurückliegenden Jahr den Chemnitzern monatlich eine unentgeltliche Stadtführung zu einem neuen Thema geschenkt, die einen Geburtstag eines Chemnitzers oder einen Jahrestag eines herausragenden Ereignisses zum Anlass nahm, um ein Stück Stadtgeschichte zu beleuchten.
Am 11. Januar wurde die Veranstaltungsreihe im Schlossbergmuseum eröffnet, der Verein stellte den Gästen sein Projekt vor und daran schloss sich ein Vortrag zur Entwicklung des Marktwesens in Chemnitz von 1143 bis heute, untersetzt mit vielen Bildern und Texten aus verschiedenen Jahrhunderten, durch Karin Meisel – alias Marktfrau Karoline – an.
Sehr gut besucht war bereits die Veranstaltung im Februar. Ines Venus-Rothermundt hatte die Chemnitzer anlässlich des 270. Geburtstages von Christian Gottlob Neefe zu einem Rundgang „Musikalisches Chemnitz“ eingeladen, der durch ein kleines Konzert eines Cello-Quintetts von Musikschülern im TIETZ abgerundet wurde.
Am 18. März stand das Wirken von Eduard Hechler im Mittelpunkt eines Architekturspaziergangs vom ehemaligen Schlachthof (Sachsenallee) zur Markthalle. Neben diesen Bauwerken des ersten Chemnitzer Stadtbaurats erfuhren die Gäste von Eberhard Fiebig um Hechlers Verdienste um die dringend gebotene Verbesserung der Wasserversorgung der Stadt zum Ende des 19. Jahrhunderts.
Im April führte Veronika Leonhardt aus Anlass 420 Jahre Erweiterung der Lateinschule und 55 Jahre Technische Hochschule zum Thema „Von der Königlichen Gewerbschule zur Universitas litterarum technicarum“ vom ehemaligen Lyceum am Jakobikirchplatz zur Alten Aktienspinnerei – der künftigen Zentralbibliothek der Technischen Universität Chemnitz. Der Rundgang skizzierte die Entwicklung der Chemnitzer Universität zum geistigen Zentrum der gesamten Region. Neben weiteren überraschenden Informationen erfuhren die Gäste des Rundgangs von drei deutschen Rekorden, die die Chemnitzer Uni hält.
Am 5. Mai 2018, dem 200. Geburtstag des großen deutschen Denkers und Philosophen Karl Marx, der zwischen 1953 und 1990 Stadt seinen Namen gab, luden Wulf Lakemaier und Veronika Leonhard zu „Zwiegesprächen von Karl und Jenny gelauscht“. Auf einem Rundgang konnten die Besucher den Ideen und Gedanken des bedeutendsten deutschen Philosophen, Kritikers der bürgerlichen Gesellschaft und der Religion, der zusammen mit Friedrich Engels zum einflussreichsten Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus wurde und dessen Theorien bis heute kontrovers diskutiert werden, bei einer Unterhaltung mit Jenny Marx lauschen.
Im Juni wurde das Schaffen Ernst Ludwig Kirchners anlässlich des 80. Todestages geehrt. Bei einem Rundgang führte Marcel Wächtler anhand von Bildern durch das Leben des Expressionisten, der hier in Chemnitz auf Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel traf.
Im Juli wurde anlässlich des 220. Jahrestages der Verleihung eines „Privilegiums exclusivums“ an die Errichtung der ersten Fabrik in Sachsen, die Bernhardsche Spinnerei, erinnert. Bei einem Rundgang durch die ehemalige Spinnmühle, die zur Seniorenresidenz umgebaut wurde, erfuhren die Gäste von Edeltraud Höfer Wissenswertes zu den Anfängen der Textilindustrie des Sächsischen Manchester. Erwähnung fand auch, welche zeitgenössische Berühmtheit seinerzeit die Spinnmühle besuchte.
Heiß und schwül wie im 19. Jahrhundert in der Aktienspinnerei war es am 17. August, als Edeltraud Höfer im Kostüm einer Arbeiterin in die Rolle von Amalia Kutschke, Mitglied des Streikkomitees, schlüpfte. Zwischen dem ersten sächsischen Frauenort im Schillerpark und dem Streiklokal Stadt London berichtete sie von Minna Simon, der ersten deutschen Streikführerin, und vom Verlauf des Streiks in der Aktienspinnerei, der sich zum 135. Mal jährte.
„170 Jahre Werkzeugmaschinenbau – Zimmermann hat es gewagt“ war das Thema der Veranstaltung im September. Gewürdigt wurde Johann von Zimmermann als Begründer des deutschen Werkzeugmaschinenbaus. Karin Meisel zeigte die Hintergründe und Standorte seines Wirkens auf und stellte die Situation in Chemnitz in dieser Zeit dar. Unter anderem ging es um den Streik von 1871, das Sanatorium Zimmermannsche Naturheilanstalt und die Industrieausstellung Chemnitz 1866.
Die Veranstaltung im Oktober war „Marianne Brandt – eine Bauhauslegende“ gewidmet und fand in den Räumen der Marianne-Brand-Gesellschaft statt. Martina Wutzler vermittelte den Gästen Einblicke in das Leben dieser außergewöhnlichen Frau und es waren Fotos und Repliken ihrer berühmt gewordenen Alltagsobjekte zu bewundern.
Die Novemberveranstaltung „Hartmann – eine Familie, die Chemnitz prägte“ wurde geradezu von Gästen überrannt. Ramona Wagner im zeitgenössischen Kostüm als Frau Berta Hartmann geb. Oppelt hat bei 100 Teilnehmer aufgehört zu zählen. An diesem Rundgang, der an der Villa Hartmann startete, haben auch viele junge Chemnitzer teilgenommen, insbesondere Schüler des Schmidt-Rottluff-Gymnasiums. Diese Stadtführung vermittelte Details zur Familien- und Firmengeschichte, die weit über den allgemein bekannten Ruf Richard Hartmanns als Lokomotivkönig hinausgehen.
Unsere Stadtrundgänge waren alle gut besucht, selbst bei strömendem Regen wurden mindestens über 20, auf einigen Veranstaltungen über 60 oder sogar über 100 Teilnehmer gezählt.
Wir freuen uns über den Erfolg und das wachsende Interesse an den Angeboten unseres Vereins, aber ohne Hilfe hätten wir das nicht geschafft.
Dass wir die Rundgänge unentgeltlich anbieten konnten, verdanken wir der Förderung durch die CWE im Rahmen der 875-Jahrfeier, denn Kosten sind schon entstanden wie z.B. Honorar für den Auftritt der jungen Cellisten oder durch die Ausleihe von Kostümen. Namentlich gilt unser Dank Lucia Schaub für die gute Zusammenarbeit.
Wir danken auch für die Unterstützung durch das Schlossbergmuseum, dass uns für zwei Veranstaltungen seine Räume unentgeltlich überlassen hat, insbesondere dem Leiter Uwe Fiedler.
Hilfreich war auch, dass wir unsere Veranstaltungsreihe im „Chemnitzer Roland“ vorstellen durften.
Vielen Dank für Ihr Interesse!
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